31 Juli 2007: 137 Patente und ganz viel Zukunft

-job- Kreis Borken. Wer früher einen Textiler aus dem Kreis auf die Zukunft seiner Branche ansprach, bekam oft allenfalls ein resignierendes Achselzucken. Wer Dr. Christoph Schwemmlein auf die Zukunft der Branche anspricht, braucht damit nicht zu rechnen. Im Gegenteil: Wenn der geschäftsführende Gesellschafter der Firma Gebr. Klöcker von den Zukunftsaussichten spricht, bekommt der glänzende Augen.

Was heutzutage alles aus Fäden hergestellt werde, dass wisse doch Otto Normalverbraucher oft gar nicht. „Man denkt an Bekleidung, man denkt an Asien“, sagt er – und zählt mal eben auf, was Webmaschinen in aller Welt sonst noch so produzieren: Gewebe, damit Beton stabiler und erdbebensicherer wird, Matten, die Müllhalden abdichten, Glasinlets, die Grundlage fast jeder elektronischen Leiterplatine sind, Gespinste, aus denen man künstliche Arterien oder kugelsichere Westen herstellt und Gewebe, ohne die die Tragflächen von Großraumflugzeugen viel zu schwer wären.

Was Otto Normalverbraucher auch nicht weiß: All dies wird oft mit Hilfe von Erfindungen der Firma aus Weseke produziert. Knapp 50 Mitarbeiter im Borkener Ortsteil tüfteln unter anderem daran, wie man bei kniffligem Gewebe Längs- und Querfäden sauber zusammenbringt – und das bei Geschwindigkeiten von bis zu 1.200 „Schuss“ pro Minute. Dass die Klöcker-Mitarbeiter im Lösen solcher Probleme gut sind, dokumentieren die Patente, von denen viele die Wand des Besprechungsraumes schmücken. „137 gültige sind es zurzeit“, sagt Schwemmlein.

Da mag man es kaum glauben, dass die Ursprünge der vor rund 160 Jahre gegründeten Firma darin lagen, zunächst Stühle und Tische, dann Holzkonstruktionen für Webstühle zu bauen. Danach baute man „Schiffchen“, in denen der Querfaden hin- und hergeschossen wurde, bevor vor etwa 30 Jahren die „Holzzeit“ zu Ende ging und die Mechanik Einzug hielt. Es folgten vor rund zwölf Jahren elektronische Steuerungen, vor vier Jahren mechatronische Webmaschinensteuerungen, die mechanische, elektronische und informationstechnische Elemente verbinden.

Der „Quantensprung“ für die Firma war aber, dass die früheren Inhaber Franz und Heinz Klöcker 1990 Schwemmlein und Matthias Klöcker als geschäftsführende Gesellschafter ans Ruder gelassen hätten. Vorbehaltlos, was in Familienunternehmen gewiss nicht die Regel ist.

„Wir haben mit Tabus gebrochen“, sagt Schwemmlein heute. So wurde die Entwicklungsabteilung ausgebaut, während die Produktion 1995 weitgehend an den Standort Indonesien verlagert wurde. Dort arbeiten mittlerweile 112 Mitarbeiter in der Produktion – in Weseke nur noch zehn. Die Zeit der Verlagerung sei für ihn „die schwerste seines Lebens“ gewesen, sagt Schwemmlein heute, aber: Die Entscheidung, das zu trennen, sei auch richtig gewesen.

Mittlerweile liegt die Akademikerquote bei Klöcker in Weseke bei rund 50 Prozent. „Hier haut sich keiner mehr mit dem Hammer auf den Daumen“, lacht der Dr.-Ing. und gelernte Wirtschaftsingenieur, der im Vorstand des amerikanischen Juniata College sitzt. Das gehört zu den 100 besten Colleges der USA. Auch zu anderen Hochschulen wie der FH Gelsenkirchen/Bocholt oder der FU Berlin unterhält man gute Kontakte – und betreut Diplomanden von dort. Denn auch die „Rekrutierung“ guter Nachwuchskräfte gehört zur Philosophie der Firma.

„Gute Leute sind immer knapp“, weiß Schwemmlein – gerade auch für mittelständische Unternehmen auf dem Land und – immer noch – für die Textilindustrie. Aber auch in der weiten Welt bemüht sich Klöcker darum, immer auf dem Laufenden zu bleiben, wenn’s um Entwicklungen in der Textilindustrie geht: Allein 50 freie Reisende „machen nichts anderes, als sich die Märkte anzuschauen“, sagt der Borkener. Und auch in der Modehauptstadt Europas, Mailand, ist Gebr. Klöcker mit einem Standbein vertreten, weil zwar 65 Prozent des Absatzes übers technische Gewebe liefen, aber eben 35 Prozent auch über die Sparte hochwertige Bekleidung.

Ungeachtet dieser vielfältigen Aktivitäten: „Ohne Patente hätten wir bei den technischen Textilien keine Chance“, weiß Schwemmlein. Auch wenn ein einigermaßen wasserdichtes Patent 40.000 bis 50.000 Euro koste – und trotz des Schutzes „abgekupfert“ werde. Glücklicherweise griffen die Gerichte aber mittlerweile härter durch sagt Schwemmlein. Und: Es seien doch immer die guten Produkte, die kopiert würden…

Quelle: Borkener Zeitung, 31. Juli 2007